Die Grenze zwischen der Sphäre des Privaten und der des Öffentlichen hat für liberal-demokratische Gesellschaften konstitutive Bedeutung: Wo alles öffentlich ist, gibt es keine Freiheit – es fehlt der Raum, wo wir als Individuen allein oder als Gruppe im Leben und Sterben nur uns selbst gehören, eigenwillig sein dürfen und uns nicht rechtfertigen müssen. Und wo alles privat ist, gibt es keine politische Freiheit, wo wir als Citoyens einer heterogenen Gesellschaft verhandeln, was über den Nahbereich hinaus alle angeht und auf direktem oder repräsentativem Wege von allen mit Mehrheit beschlossen werden muss. Wie weit das Private das Öffentliche begrenzen sollte und umgekehrt, das war seit Beginn der bürgerlichen Gesellschaft strittig und fand historisch höchst unterschiedliche Antworten, in denen zwei große Traditionen zum Ausdruck kommen. Auf der einen Seite betont die liberal-individualistische Tradition den Vorrang der individuellen Freiheit der Person als Schutzanspruch der Freien und Gleichen gegen ungerechtfertigte Herrschaft und Kontrolle. Die liberal-individualistische Tradition sucht die Grenzen des Staates und des Öffentlichen zu bestimmen. Ihr steht auf der anderen Seite eine hegelianisch-kommunitäre Tradition gegenüber, die die Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person betont. Das Recht auf Privatheit ist hier eher das Ergebnis des im Streit der Standpunkte erarbeiteten politischen Urteils, wo die Wahrnehmung der individuellen Freiheit als nicht mehr gesellschaftsdienlich und solidaritätstauglich beurteilt wird, wo also die Grenzen des Privaten erreicht sind und im öffentlichen Interesse ein Recht auf Auskunft, Offenlegung und Intervention in die Sphäre des Privaten gerechtfertigt werden kann. […]